«Jede Frau sollte sich ein vernünftiges Grundwissen über Finanzen aneignen»

Wir haben uns mit Daniela Manneh-Hasler über den Gender Investment Gap und mögliche Lösungen gesprochen. Die Rechtsanwältin unterstützt EVA im Advisory Board.

Du bist Rechtsanwältin. Welche Tipps hast du für Frauen in Bezug auf Vorsorge und Finanzen? 

Ganz generell würde ich sagen, dass sich Frauen Gedanken über ihre konkrete Situation und deren allfällige Folgen machen sollten, um abzuschätzen, wie sie ihre Situation optimieren respektive allfällige Folgen vermeiden oder abfedern können. Als Rechtsanwältin empfinde ich das rechtliche Konstrukt der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft als gute Grundbasis für Lebenspartner. Dies gilt umso mehr, wenn man gemeinsame Kinder hat. Man hat für den Fall der Fälle schon mal ein bestimmtes gesetzliches Grundgerüst und muss nicht alles vertraglich regeln. Für Personen, die in einer Lebenspartnerschaft sind, finde ich das schon mal einen guten ersten Ansatz.

Was hat das konkret für Auswirkungen?

Eine Hausfrau oder ein Hausmann stellt so sicher, dass sie oder er im Scheidungsfall immerhin die Hälfte der während der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft einbezahlten beruflichen Vorsorge des Partners oder der Partnerin erhalt. Oder im Falle des Ablebens des Partners oder der Partnerin eine Witwen- oder Witwerrente. Dadurch wird der sogenannte Gender Pension Gap, der aufgrund der unbezahlten Care-Arbeit entsteht, abgeschwächt. Das ist nur eines von mehreren Beispielen.

Wie lange beschäftigt dich das Thema Frauen und Finanzen schon? 

Ehrlich gesagt habe ich mich bis zu meiner Involvierung bei EVA nicht wirklich mit dem Thema Finanzen auseinandergesetzt. Das Thema Gleichberechtigung beschäftigt mich hingegen bereits seit der Kindheit. 

Was war für dich ein Moment mit Aha-Effekt? 

Es hat mich überrascht, dass so wenig Frauen investieren und mir ist klar geworden, wie wichtig Investments sind, um den Gender Pension Gap zu schliessen. 

Welche Zahlen oder Fakten haben dich überrascht? 

Dass wir noch über hundert Jahre (!) brauchen, bis wir die finanzielle Gleichstellung von Mann und Frau erreicht haben. 

Was können Frauen tun, damit sie finanziell unabhängiger werden? 

Frauen sollten sich konkret Gedanken darüber machen, wie die Verteilung von Arbeit und Vermögen in der Beziehung mit dem Partner oder der Partnerin gelebt wird. Und falls diese nicht gleichberechtigt gelebt wird, konkret nach Lösungsansätzen suchen. Grundsätzlich gilt aus meiner Sicht in der heutigen Zeit ausserdem, dass man – auch wenn man Kinder bekommt - keine reine Care-Arbeit machen sollte. Man weiss nie, wie das Leben spielt (egal ob Scheidung, Krankheit, Tod) und so kann man verhindern, dass man plötzlich mit schlechten Chancen auf dem Arbeitsmarkt dasteht oder sich mit Altersarmut konfrontiert sieht.

Wo siehst du hier Fallstricke?

Oft hört man von Familien, dass es sich ja für die Frau gar nicht lohnen würde, Teilzeit zu arbeiten und die Kinder ausserhäuslich betreuen zu lassen, weil der Lohn der Frau ja komplett für diese Betreuung draufgehe. Diese Betrachtung ist aber nicht gesamtheitlich, sondern fokussiert sich nur auf das Familieneinkommen. Dabei wird ausser Acht gelassen, dass die Frau aufgrund ihrer Teilzeittätigkeit in die AHV und die Pensionskasse einzahlt, was richtig und wichtig für die Frau ist. Das ist nur eines von vielen Beispielen, bei denen Frauen oft nicht sehen, dass sie am Ende des Tages benachteiligt sind. Ausserdem sollte sich jede Frau - unabhängig vom Zivilstand - ganz generell ein vernünftiges Grundwissen über Finanzen aneignen und selbst aktiv (gemeinsam mit dem Partner oder alleine) investieren.

Was sollten Unternehmen tun? 

Unternehmen sollten für alle Arbeitnehmenden - unabhängig vom Geschlecht - Teilzeitstellen ermöglichen und auch in der Handhabung dieser Stellen flexibel sein.  Frauen sollten unabhängig von ihrer Mutterschaft dieselben Karrierechancen haben. Männer sollten sich mehr in die Erziehung einbringen und eine stärkere Bindung zu ihren Kindern aufbauen können. Unternehmen sollten einsehen, dass es nicht das eine Familienmodell, sondern eine Vielzahl von Familienmodellen gibt und dies unterstützt werden sollte. 

Was sind deine Erfahrungen als Frau und Mutter in deiner Branche?

Als Teilzeitkraft und Mutter ist es eine Herausforderung, allen Bereichen - also der Arbeit, der Care-Arbeit und der Freizeit - gerecht zu werden. Ich lasse mein Kind in einer Kindertagesstätte betreuen und schätze diese Möglichkeit sehr. Ich kann mich in dieser Zeit voll und ganz auf meinen Job konzentrieren und mein Kind erlebt in der KTIA einen schönen Tag mit anderen Kindern und den Betreuerinnen. In meiner eigenen Branche würde ich die Möglichkeiten zur Teilzeittätigkeit als gut bezeichnen, jedenfalls habe ich das in den letzten Jahren vermehrt so wahrgenommen. Leider kenne ich aber auch in meiner Branche Beispiele, bei denen die Unternehmen nicht gewillt waren, einer Frau nach ihrer Mutterschaftspause mit dem Pensum entgegenzukommen. 

Und wo siehst du in der Gesellschaft Handlungsbedarf? 

Generell empfinde ich die Gesellschaft noch als sehr rückständig, was das Thema Gleichberechtigung angeht. Manchmal habe ich auch das Gefühl, dass Frauen gar nicht sehen oder wahrhaben wollen, in wie vielen Bereichen und in welchem Umfang wir im Vergleich zu den Männern benachteiligt sind. Ich empfehle jedem (Frauen und Männern), sich über die leider zahlreichen Gender Gaps zu informieren, sich einfach mal zum Nachdenken anregen zu lassen und dann zu überlegen, was man als Individuum konkret beitragen kann, um mehr Gleichberechtigung in unserer Gesellschaft zu erreichen.

Und was muss die Politik tun? 

Hier sehe ich starken Handlungsbedarf. Unser derzeitiges System ist nicht geeignet, um eine gleichgestellte Gesellschaft herzustellen. Die Reformen hinsichtlich Einführung eines bezahlten Vaterschaftsurlaubs und bezahlter Elternzeit wären grundsätzlich ein guter Ansatz. Leider geschieht dies aber nur aufgrund des Umsetzungsdrucks hinsichtlich den EU-Vorgaben. Einerseits bin ich froh, dass endlich ein bezahlter Vaterschaftsurlaub eingeführt wird. Andererseits ist das nur ein kleiner Schritt, wenn man bedenkt, dass es sich nur um einen zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub mit 80 % Lohn handelt. Die neue Regelung zur Elternzeit bringt offensichtlich nur einem kleinen, privilegierten Teil der Bevölkerung einen Nutzen. Die meisten Leute werden sich die Elternzeit, während der man lediglich 50 % des Lohns erhält, schlichtweg nicht leisten können. Hier braucht es ein Umdenken in Gesellschaft und Politik.

Was wären mögliche Ansätze?

Können wir ein neues System kreieren, das eine bezahlte häusliche Betreuung von Kindern bis zu ihrem ersten Lebensjahr erlaubt? Könnte dieses System so flexibel kreiert werden, wie dies in unseren Nachbarländern der Fall ist? Sprich: Mutter und Vater des Kindes teilen sich dieses Jahr auf und können beide Mutterschafts- respektive Vaterschaftsurlaub nehmen? Wie können wir das finanzieren? Das sind einige von vielen Fragen, die es zu lösen gilt, um in der Arbeitswelt und der Gesellschaft an sich eine Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau zu schaffen.   

Wie können wir eine Veränderung erreichen? 

Indem alle - Frauen und Männer - eine gleichberechtigte Gesellschaft wollen und sich aktiv dafür einsetzen, dass wir diese erreichen. Das fängt auch schon im Kleinen an.


Porträt Daniela Manneh-Hasler

Daniela arbeitet als Rechtsanwältin in einer renommierten Liechtensteiner Kanzlei. Nach ihrem Studium der Rechtswissenschaft (MLaw) absolvierte sie diverse Praktika in Barcelona, New York und Liechtenstein. Danach war sie Rechtsanwaltsanwärterin in einer Liechtensteiner Kanzlei sowie Staatsanwaltsanwärterin, bevor sie erfolgreich die Rechtsanwaltsprüfung absolvierte.






Katrin Mirjam Hasler-Dobratz

Katrin ist Inhaberin und Creative Director einer Agentur für Branding, Kommunikation und Design in Zürich. Sie ist in Liechtenstein aufgewachsen und wohnt dort mitten im Grünen. Sie liebt den Mid-Century-Modern-Stil und streichelt gerne Katzen.

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