«Wir müssen an dem gesellschaftlichen Bewusstsein arbeiten»

Wir haben uns mit Gunter Dobratz über Geld, den Fachkräftemangel und die Rolle von Frauen in der Geschäftswelt unterhalten. Der Business Developer unterstützt EVA im Advisory Board.

Wie lange beschäftigt dich das Thema Frauen und Finanzen schon?

Ehrlich gesagt noch nicht so lange. Ich habe das Offensichtliche nicht gesehen. Dabei ist es direkt vor meinen Augen passiert. Während ich fleissig 3a-Depots angelegt und bei der Steuer abgezogen habe, haben das viele weibliche Bekannte nicht gemacht. Sie haben mir gesagt, dass sie zu wenig Geld verdienen oder den Aktienmarkt nicht verstehen es darum nicht machen. Um ehrlich zu sein hatte ich zu dem Zeitpunkt auch wenig Ahnung. Ich habe einfach gemacht, was meine (männlichen) Kollegen auch gemacht haben.

Was war für dich ein Moment mit Aha-Effekt?

Der Aha-Effekt kam, als ich in einem Musikverein mit einer Kollegin gesprochen habe. Die Kinder waren gerade aus dem Haus und es war Zeit für einen neuen Lebensabschnitt auf eigenen Beinen. Sie liebt Schottland, wollte dahin auswandern und dort arbeiten. Sie fand aber keine Stelle, die genug hergab, um eine eigene Wohnung zu bezahlen. Zu wenig Berufserfahrung. Sie war die ganzen Jahre für die Kinderbetreuung zu Hause geblieben. Der Traum von finanzieller Unabhängigkeit und einem neuen Leben fern der Heimat war sehr schnell vorbei.

Wie können wir eine Veränderung erreichen?

Veränderung passiert aus meiner Sicht aus dem Bewusstsein heraus, dass es einen Missstand gibt, der geändert werden muss. Wir müssen also an dem gesellschaftlichen Bewusstsein arbeiten, indem wir aufklären und Vorbilder schaffen. So können wir eine Veränderung in der Gesellschaft erreichen.

Welche Zahlen oder Fakten haben dich überrascht?

Flugzeuge, bei denen die im Cockpit eine Frau und ein Mann sitzen, haben das geringste Absturzrisiko. Von Frauen geführte Unternehmen weisen eine höhere Renditechance als von Männern geführte Unternehmen auf.

Was ist deine persönliche Motivation, EVA im Advisory Board zu unterstützen?

In den letzten Jahren stand ich immer wieder vor der Herausforderung, neue Mitarbeitende zu rekrutieren. In Zeiten des Fachkräftemangels ist das eine schwierige Aufgabe. Vor allem wenn man weiss, dass gemischte Teams bessere Ergebnisse liefern. Doch wo nehme ich die hoch qualifizierten Frauen her? Bei der Auseinandersetzung mit dem Thema ist mir bewusst geworden, dass Investments in von Frauen geführte Unternehmen Vorbilder unterstützt und dadurch mehr Frauen im Berufsleben hält, die dann für eine Anstellung zur Verfügung stehen.

Wie ist das Management der Finanzen bei euch zu Hause geregelt?

Mir ist es schon immer wichtig gewesen, dass die Finanzen in einer Beziehung so geregelt sind, dass jeder Partner unabhängig und selbstbestimmt finanziell agieren kann. Bei uns zu Hause haben wir das ganz in diesem Sinne geregelt. Es gibt ein Gemeinschaftskonto für die kalkulierten Haushaltsausgaben. Auf das zahlen wir beide ein. Im Übrigen hat jeder sein Geld und gibt es nach Lust und Laune aus. Manchmal laden wir uns zum Essen ein. Es ist dann ein wenig wie bei einem Rendezvous. Zusammen besprechen wir unsere jeweiligen privaten Vorsorgepläne. Damit stellen wir sicher, dass es uns als Einzelpersonen im Alter gut geht.

Und was ist dein persönlicher Bezug zu Finanzen?

Mein Bezug zu Finanzen ist sehr unmittelbar. Entwickelt sich in einem Projekt das Geschäft finanziell nicht wie geplant, riskiere ich sehr schnell meinen Job zu verlieren. Vor diesem Hintergrund ist es für mich immer sehr wichtig, einen genauen Blick auf den Vorsorgeplan eines potenziellen Arbeitgebers zu werfen. Hier gibt es grosse Unterschiede. Bisher hatte ich das Glück mehrheitlich bei Arbeitgebern mit einem sehr guten Vorsorgeplan zu arbeiten. Darum sieht es in meiner zweiten Säule gut aus.

Was sollten Unternehmen besser machen, um Frauen zu stärken?

Aktiv auf allen Ebenen gemischte Teams aufstellen und Frauen Verantwortung geben. Zudem die eigene Unternehmenskultur hinterfragen und daran arbeiten, Gleichwertigkeit von Frau und Mann zu erreichen. Das ist eine grosse Aufgabe, denn nicht nur die Formulierungen in den Schriftsätzen, sondern auch der Ton untereinander muss angepasst werden. 

Was empfiehlst du Unternehmen in Bezug auf weibliche Angestellte?

Gleichstellen, wertschätzen und fördern.


Porträt Gunter Dobratz

Gunter Dobratz ist Business Development Experte und hilft Unternehmen, neue Geschäfts- und Produktideen erfolgreich auf den Markt zu bringen. Er hat einen Master in Betrieblicher Umweltinformatik der HTW Berlin. Nebst Business Development sind seine Themenschwerpunkte agiles Mindset sowie Employer Branding.






Katrin Mirjam Hasler-Dobratz

Katrin ist Inhaberin und Creative Director einer Agentur für Branding, Kommunikation und Design in Zürich. Sie ist in Liechtenstein aufgewachsen und wohnt dort mitten im Grünen. Sie liebt den Mid-Century-Modern-Stil und streichelt gerne Katzen.

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